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Polizeialarm am Lagoa

Ne Cola?Da bin ich wieder, mit den neusten Berichten von der Front. Ich sitze gerade im Internetcafé in Tabolero de Norte, der Heimstadt von Emanuel, Clarisse und Samuel, weil wir heute abend auf die „legendäre“ Hawaiiparty gehen werden… Wir waren letzte Woche nur einmal auf der Strasse, da wir von den Geschaeftsleuten, um den Terminal herum eine Warnung bekommen haben. Die haben offensichtlich keine Lust mehr auf Strassenkinder, die ihnen das Geschaeft kaputt machen. 0302071.JPGSo wurde uns netter Weise mitgeteilt, das in naechster Zeit etwas passieren wird am Terminal und das es fuer uns besser waere, wenn wir zu dem Zeitpunkt nicht anwesend sind. Was genau damit gemeint ist, wurde uns nicht gesagt. Trotz allem hat das nicht gerade weniger Sorge bei uns hervorgerufen, denn „es wird etwas passieren“ kann absolut ALLES heissen…..

Leider kann man das hier auch niemandem melden, der dies verhindert, denn nach Aussage eines der Kinder, geht die Polizei in letzter Zeit jede Nacht rigeros gegen die Kinder vor. Somit ist uns jetzt auch klar, woher die ganzen Verletzungen der Kinder kommen…haetten wir ja eigentlich auch gleich mal fragen koennen…Somit muessen wir jetzt also ein wenig die Fuesse still halten und beobachten. Neulich sind die Polizisten auch zu uns gekommen und wollten unsere Ausweise sehen, weil sie angeblich wissen muessen, wer alles am Terminal Sozialarbeit macht. da musste ich dann, waehrend sie die Personalien von Christine aufgenommen haben, schnell mal eben ueber den Drehkranz verschwinden, weil ich natuerlich nichts dabei hatte..ich denke, das kann auch mal nach hinten losgehen, wenn man sich gerade in so einem Moment nicht Ausweisen kann. Vor allem haben die Polizisten hier was ziemlich beaengstigendes an sich. Die sehen eigentlich mehr danach aus, als befaenden wir uns hier im Krieg…. Die volle Batterie an allem was man an Waffen, schusssicheren Westen usw. so „braucht“….Ist vor allem an dem Terminal äusserst notwendig, weil die Kinder natuerlich auch alle bis an die Zaehne bewaffnet sind, total durchtrainiert und super im Lack um den Kampf mit 100 Polizisten aufzunehmen….kleiner Scherz…Jaja, Gewalt erzeugt Gegengewalt…. Was auch extrem amusant war: als wir das letzte mal auf dem Weg vom Innenraum des Busbahnhofes nach draussen zu den Kindern waren, ist uns ein Mann entgegengekommen und hat uns mehrmals gewarnt, wir sollten vorsichtig sein, weil da draussen ganz viele Strassenkinder sind…..aha?! Leider ist es zur Zeit auch so, das der Chef des Busbahnhofes die Kinder nicht mehr ins Terminal hereinlaesst. das heisst fuer die Kinder zum einen, dass sie sich nicht mehr waschen koennen, nicht mehr so leicht an Essen herankommen, das ihnen oftmals von einigen der Sorveterias (Fressbuden) gesponsert wird, aber vor allem auch, dass sie ihre Sachen nicht mehr in den Schliessfaechern aufbewahren koennen. Das bedeutet, die ganze Situation wird fuer die Kinder noch gefaehrlicher und unangenehmer. Zurzeit spitzt sich die Lage gerade ein wenig zu und es kann alles, aber auch gar nichts passieren. Es gibt hier noch eine Einrichtung, die gerade vermehrt Strassenarbeit an diesem Punkt macht. Die wollen jetzt regelmaessig Aktionen anbieten, Fussball usw. Wobei natuerlich die Frage ist, ob dann nicht nochmehr Strassenkinder diesen Platz frequentieren (ohoh, ich weiss genau, dass sich meine Theatermaedels aus der Vahr bei diesem Wort fragend angucken und mit dem Kopf schuetteln werden…denn vor allem meine Fremdwoerter waren bei den Maedels immer sehr beliebt. Also Maedels: frequentieren = haeufig besuchen) Wir werden sehen, es bleibt spannend… Trotzdem werden wir uns natuerlich nicht davon abhalten lassen, die Kinder weiterhin aufzusuchen, man muss eben nur vorsichtig sein. ( Ja Mama, ich pass auf mich auf und oft klingt es fuer Aussenstehende schlimmer als fuer uns die hier vor Ort sind. Ich kann die Situation auf jeden fall ganz gut ueberblicken) Wichtig ist jetzt auf jeden Fall auch, das wir mit der anderen Organisation weitestgehend zusammenarbeiten. Was fuer uns momentan eigentlich noch viel schwieriger ist, ist die Tatsache, das wir uns die ganze Zeit ueber Sorgen mache um die Kiddies und jedesmal wenn einer fehlt, kriegt man erstmal ein komisches Gefuehl im Bauch. Wir haben es uebrigens geschafft: Nayela wird jetzt in eine Einrichtung gehen. Bisher war das leider noch ein totales hin und her, weil sie eigentlich schon am Montag dahin sollte, ich sie dann aber vorgestern an einem anderen Busbahnhof wieder getroffen habe und sie mir erzaehlt hat, sie wird morgen gehen…na, wir werden sehen. natuerlich habe ich mich gefreut sie zu sehen, aber lieber waere es mir gewesen, wenn sie bereits in der Einrichtung waere. Ich musste ihr hoch und heilig versprechen, sie zu besuchen…Vorgestern habe ich dann zu ihr gesagt, wenn sie nicht bald weg ist von der Strasse, werde ich sie eigenhaendig dort hinschleifen…..Fuer Nayela waere das auf jeden Fall das Beste (Nayela ist uebrigens nicht 15 sondern 13, ich habe beim durchlesen der letzten mail gemerkt, das ich mich verschrieben habe), ich habe naemlich gesehen das sie eigentlich schnell und gut schreiben kann, das heisst das sie schon zur Schule gegangen sein muss. Ich denke wenn sie jetzt wieder einsteigt, hat sie auf jeden Fall noch sehr gute Chancen. Ich habe ihr auch versprochen, das ich ihr einen Rucksack und Schulsachen kaufe (Federtasche, Hefte), trotz allem hat es sie wohl noch nicht ganz ueberzeugt. Aber der Entschluss von der Strasse wegzugehen ist jetzt auf ejden Fall ausgereift und das ist schon mal viel wert bei diesen Kindern. Denn einige hegen auch gar nicht den Wunsch die Strasse zu verlassen…Mir graut es jetzt schon davor, wenn ich hier weg muss, denn ich glaube sie braucht einen extremen Ansporn um ihr Leben jetzt mal auf die Reihe zu bekommen. Vielleicht werde ich versuchen, sie an jemand anderen zu uebergeben. Und so lange sie in die Einrichtung bleibt, gibt es ja auch noch Telefon.

Veröffentlicht am 3.Februar 2007 um 21:05 im Straßenblog unter der Kategorie Barfuß in Brasilien

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