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Manchmal kommt es anders………

Siesta am LagoaWellington, einer meiner geliebten Jungs aus dem sitio, ist tot. Ich kann`s kaum glauben und bin unsagbar traurig. Ich hab`s vorhin erfahren, als ich am Terminal Lagoa war um meine Kiddies zu besuchen. Wer sich nicht mehr an Wellington erinnert, aus meinen zahlreichen und unendlich langen mails: Wellington war der, den ich an meinem ersten Tag im sitio im Kombi kennenlernte, als er gerade nach Fortaleza gebracht wurde, weil er suspendiert war und den ich von Anfang an so sehr mochte. Der dann irgendwann wieder im sitio war, für mich Bilder gemalt hat, der mir Honig gebracht hat als ich krank war und am meinem Fenster stand, weil er sich sorgen machte. Mit dem ich manchmal nachts Heimlich rauchen war oder einfach so durchs sitio gestreift bin und so viele und lange Gespräche mit ihm geführt habe.

Wellingtons „Haus” war das Haus, das ich damals bei meinen ersten Familienbesuchen in der Favela gesehen habe, das nur aus zusammengeklebten Stöckern und Lehm bestand. Draussen war tatsächlich ein Schild angebracht „Zu verkaufen oder zu tauschen”. Wellington war der Junge, der nie von den Drogen los kommen sollte, der sich in Tabatinga, dem nächstgelegenen Dorf vom sitio Crack kaufte und irgendwann im Wahn einen Jungen zusammenschlug. Kurz bevor ich mit Wellington los wollte um ihm ein T-shirt seiner Lieblingsfussballmannschaft „Fortaleza” zu kaufen, wurde er aufgrund des Vorfalls mit dem Jungen, suspendiert und ich konnte mich nicht mehr von ihm verabschieden, weil ich erst einen Tag später wieder aus Fortaleza zurück ins sitio kam. 2 Wochen später dann habe ich im Fernsehen mit imagem-001.jpgansehen müssen, wie die aufgebrachte Meute auf der Strasse Wellington zusammenschlägt, auf ihn eintritt, ihm an den Haaren zieht, nachdem er bewaffnet einen Bus überfallen hat. Ich erinner mich gut an den Brief von seinem kleinen Halb-Bruder Lucas den er Wellington ins Gefängnis schrieb. „Lieber Wellington, warum hast du das getan? Wir alle vermissen dich sehr. Ich hab dich lieb, dein Bruder Lucas” 3 Wochen bevor ich Brasilien verlassen habe, sass Wellington im Gefängnis. 3 Tage vor meiner Abreise aus Fortaleza sollte ich ihn mit Silvana besuchen können, doch sie wurde krank. So habe ich Wellington vor meiner Abreise nicht wieder gesehen, habe aber einen Block zum Malen und Stifte für ihn da gelassen, in der Hoffnung, das dies bei ihm im Gefängnis ankommt, und er zumindest seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann. StreetlifeSeine Mutter war kurz vor meiner Abreise noch zu Besuch und erzählte, wie schlecht Wellington aussah, als sie ihm im Gefängnis besucht hat. Ich habe so gehofft, dass ich ihn diesmal besuchen kann, doch jetzt ist Wellington tot. Erschossen mit 4 Kugeln in den Kopf, von einem Sohn der Familie die er kurz vorher ausgeraubt hat, um sich Drogen zu kaufen. Bernardo hatte eben doch recht als er sagte: Entweder er kommt zurück, oder er stirbt.

So bin ich vorhin zurückgefahren vom Terminal, die Stadt ist irgendwie noch die selbe, selbst meine Musik auf dem MP§-Player habe ich seit dem letzten mal nicht gewechselt, und doch bleibt die Zeit nicht stehen. Sie läuft weiter und manchmal einfach zu schnell…

Mit Licht und viel, viel Liebe (geniesst all Eure Zeit die ihr habt!!)

Eure Vipika

 

Veröffentlicht am 28.März 2008 um 12:40 im Straßenblog unter der Kategorie Barfuß in Brasilien

Kommentare

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Ey, Miss Barefoot, noch am lichten & lieben? Lang nix mehr gehört…bei deinem sonstigen Output muss man sich ja schon fast sorgen?! Gib uns mal ein Zeichen. Aus Brasilianien. Umarmung,
MC Doppel G

Schon passiert, mein treuer Freund und VAJA-Weggefaehrte….Bin ja bald wieder da. Freu mich auf euch! Dicken Knutscher